09 August 2009

TRON Legacy - Propaganda für den Freitod durch Gnosis?



Auf den ersten Blick war Tron 1982 die Geschichte einer geglückten gnostischen Erleuchtung.
Schlafende göttliche Funken sind in den Körpern menschlicher Programmierer-Dronen gefangen, welche hoffnungs-, weil ahnungslos gegen die Verschwörung der Archonten des militärisch-industriellen Komplexes ENCOM ankämpfen.

Ein Laser-Strahl befreit schließlich die göttlichen Seelen aus ihrem fleischlichen Gefängnis und trägt sie in das grenzenlose Licht des Mainframes. Dort erlangen die Erleuchteten durch den Dialog mit anderen Lichtwesen Kenntnis ihrer göttlichen Kraft, die "Natur"-Gesetze der digitalen Dimension mit ihrem Willen zu beherrschen.

Mit dieser Macht des Lichts, gelingt es den Helden schließlich, die Archonten des Diesseits endgültig zu bezwingen.

Ein gnostisches Ideal? Vorsicht! Das dunkle Geheimnis, das hier entlarvt wird, ist nicht das Trugbild unserer weltlichen, entlichteten Existenz. Es ist die dunkle Seite, der Gnostik selbst, deren lebensverachtende Fratze hinter ihrem Heilsversprechen hervorschaut.

Denn der Lasersstrahl trägt die Helden tatsächlich nicht in das Licht absoluter Freiheit, sondern in das "black iron prison" von Philip K. Dick. Der Herrscher dieser Tyrannei ist kein transzendenter Gott vollkommener Güte, sondern ein eifersüchtiger Demiurg, der die ihm ergebenen Lichtwesen mit Willkür unterdrückt, der aber auch in seiner Macht unvollkommen und damit besiegbar bleibt. Die vollkommene Einswerdung mit Gott, sonst höchstes gnostisches Erlösungsversprechen, führt hier nur in das Nichts des Todes. Der endgültige Weg in die Freiheit führt nicht in das digitale Pneuma, sondern liegt in der Rückwendung zum diesseitigen, materiellen Leben.

Die ersten Eindrücke der kommenden Fortsetzung "TRON Legacy" versprechen vor allem eine optische Eskalation der bekannten Konzepte und ihrer Konfliktlinien und das sehr wirksam. Die Finsternis des eisernen Gefängnisses ist noch abstrakter, härter und kälter. Die in ihm gefangenen göttlichen Funken sind bereits auf den fahlen Abglanz ihrer selbst reduziert, steriles Neonlicht, statt loderndem Seelenfeuer.

Doch was wird uns hier nun wirklich vorgeführt? Ist Tron ein warnendes Fanal vor der Lebensverachtung der Gnostik, ein Plädoyer für das lustvolle Leben im materiellen Hier und Jetzt?

Eine so klare Ablehnung gnostischer Meme ist unwahrscheinlich, da sie bereits Anfang der Achtziger integraler Teil der Popkultur waren und es heute umso mehr sind. Die kritische Diskussion der Gnostik scheint bis auf vereinzelte Ausnahmen beendet.

Liegt, die wirkliche Botschaft in reiner gnostischer Tradition hinter der Botschaft hinter der Botschaft? Wird das Scheitern des Cyberspace als Ort der gnostischen Erleuchtung nur deshalb in so drastischer Deutlichkeit beschrieben, um das Versprechen
auf die Möglichkeit dieser Erleuchtung an einem anderen Utopos umso stärker im Zuschauer wirken zu lassen?

Ist Tron eine als Ja zum Leben getarnte Propganda für die gnostische Selbstzerstörung? In solcher Einseitigkeit wäre auch das nur eine weitere, typisch gnostische Verschwörungstheorie.

Eine dritte Lesart entzieht sich nur oberflächlich ganz der Frage nach der memetischen Aufladung des Stoffes. Reduziert man Tron auf ein rein marktwirtschaftlich motiviertes Produkt der US-amerikanischen Filmindustrie, muss aus Gründen der Gewinnmaximierung beides angeboten werden: Gnostik als tödliche Bedrohung und Heilsversprechen, gleichzeitig für alle möglichen Zielgruppen.

Das kann nur funktionieren, wenn alle Zielgruppen bereits so stark mit gnostischen und anti-gnostischen Memen aufgeladen und polarisiert sind, dass der Impuls wirken kann.

Setzen wir das aber voraus, so wird das Pop-Produkt Tron als Trägermedium gnostischer Meme an sich problematisch. Findet sich Gnostik unkommentiert als gleichwertiges Angebot neben Harry Potter und Hannah Montana, wird es auch als dazu gleichwertig angenommen, mit allen daraus möglichen Folgen.

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