Mehr noch, geht diese Krise der Medien einher mit einer ebenso tiefen Krise des demokratischen Prozesses den sie vermitteln müssen.
Dabei bedingen und verstärken sich beide Krisen gegenseitig.
Die Krise der Medien ist dabei in sich schon eine vielfältige.
Die Krise von Format und Infrastruktur
Immer noch hat kein traditionelles Medium des letzten Jahrtausends den über sein Fortbestehen entscheidenden Übergang in das eine Meta-Multi-Medium Internet überzeugend vorbereitet, geschweige denn vollzogen.
Selbst wenn Zeitungs- und Buchverlage, Radio- und TV-Sender, Film- und Musik-Industrie inzwischen begriffen haben, dass sie ihre Produkte nicht mehr vernetzt anbieten können, sondern müssen; alle sind immer noch in dem absurden Glauben verhaftet, dieses vernetzte Angebot sei immer noch nicht mehr, als ein Zusatz, eine alternative Beilage zum bekannten Format, welches daneben und vorrangig erhalten werden müsste.
Wie kann man auch nur auf die durch das iPad bereits jetzt erzwungenen Umwälzungen in der Medien-Produktion schauen und trotzdem offenen Auges an diesem Irrtum festhalten?
Es ist mit vernünftigen Mitteln nicht zu begründen, dass angesichts der „Produktionskosten“ für Medien im Internet, noch irgend jemand Geld für die Produktion, das Bedrucken und den physischen Vertrieb von Papier ausgibt. Das gilt für den Erhalt von Sendestationen wie für das Pressen kleiner, glänzender Plastikscheiben, für die optische Abtastgeräte gebaut werden müssen, um ihre Informationen auslesen zu können.
Welche Summen für all das tatsächlich immer noch bezahlt werden, ist der nackte Irrsinn.
Welche Summen es kosten wird, diese Strukturen noch weiter zu erhalten, macht traurig.
Welche Summen es kosten wird, all diese Strukturen dann doch irgendwann endlich unvermeidlich im Internet oder dessen Nachfolger aufgehen zu lassen, macht Angst.
Bevor es dazu kommt, müssten sich alle Verleger, alle Senderintendanten, alle Medien-Produzenten jetzt zusammentun, gemeinsam dafür sorgen, dass alle ihre Kunden morgen einen Kindle, ein Galaxy Tab oder einen CR-48 geschenkt bekommen und übermorgen ihre gesammten physischen Vetriebsketten vollständig einstampfen.
Damit wäre dann ein Problem gelöst.
Die Vertrauenskrise
Die vierte Staatsgewalt verliert aber auch immer mehr das Vertrauen ihres Souveräns und damit immer mehr ihrer Macht.
Der Anspruch an den politischen Journalismus wird heute immer noch wie 1972 vom Bundesverfassungsgericht formuliert, hoch gehalten, von den Machern des politischen Journalismus, wie von seinen Konsumenten:
„die freie geistige Auseinandersetzung [ist] ein Lebenselement der freiheitlichen demokratischen Ordnung in der Bundesrepublik und für diese Ordnung schlechthin konstituierend. Sie beruht entscheidend auf der Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit, die als gleichwertige Garanten selbständig nebeneinander stehen.“
Professor Jay Rosen leitet daraus nachvollziehbar den Auftrag an die Medien her,
„uns die Welt in einer Weise zu erklären, die es uns ermöglicht, am politischen Leben teilzunehmen“.
Rosen sieht mehrere Entwicklungen immer stärker dagegen wirken und das Vertrauen der Bürger in ihre Medien untergraben:
Die zunehmende Wehrlosigkeit der objektiven Neutralität, die zunehmende Notwendigkeit einer wehrhaften Warheitssuche
In einer Medienlandschaft, in der unhaltbare Behauptungen zunehmend mit gleicher oder größerer Lautstärke und Reichweite verbreitet werden können wie belegte Tatsachen, reicht es nicht mehr, distanziert objektiv neutral über beides zu berichten. Der Journalist von morgen muss die Lügen, wie die Wahrheiten als solche benennen und sich persönlich für die Verteidigung der Wahrheiten gegen die Lügen einsetzen um glaubhaft zu bleiben.
Der neue Extremismus der Mitte
Die Regel, politischer Journalismus müsse sich nur von Extremismus von links oder rechts abgrenzen, gilt nach Rosen nicht mehr.
Die politische Mitte und ihr Konsens sind keine Synonyme mehr für Wahrheit, gesunden Menschenverstand und Realismus. Von hier kann ideologischer Extremismus ebenso so kommen, wie von links, wie von rechts.
Politischer Journalismus als Sport- oder Börsen-Berichterstattung
Berichtet politischer Journalismus noch über Politik? Über ihre Motive, ihre Ziele, ihre Möglichkeiten, ihre Wirkungen?
Jay Rosen zeichnet eine Entwicklung nach, in der der politische Journalist immer mehr zum Sport- und Börsen-Reporter wird.
Er bewertet Politiker und ihre Parteien immer weniger nach ihren nachhaltigen Inhalten und immer mehr als Mannschaften oder marktwirtschaftliche Betriebe, ihren Erfolg immer weniger im Nutzen für das Allgemeinwohl und immer mehr in ihrer Tagesform im Blick auf den Sieg bei der nächsten Wahl.
Hat das Internet diese Entwicklungen hervorgerufen? Nach Rosen hat es sie nur auf die nächste mediale Entwicklungsstufe übertragen, dort beschleunigt wie verstärkt.
Natürlich findet Rosen die Belege für seine Zustandsbeschreibung im US-amerikanischen Alltag.
Aber es bedarf keiner Phantasie, deutsche Parallelen zu finden.
Frank Plasberg ist nicht der einzige, der unter dem Talar der absoluten objektiven Neutralität seinen eigenen Personenkult und seine Parteilichkeit mehr schlecht als recht bedeckt, „Hart aber Fair“ dabei regelmäßig von der Information ins Volkstribunal der Lautsprecher und Nichtssager kippen lässt.
Wer die aktuellen politischen Diskussionen in Deutschland im allgemeinen und über Google Street View im besonderen betrachtet, muss nach ideologischem Extremismus aus der Mitte der deutschen Gesellschaft nicht mehr suchen.
Beim nächsten Mal Politbarometer schauen, darf sich jeder mit Recht an Fussball-Bundesliga-Tabellen und Aktienkurse erinnern.
Und wer sich nach all dem noch politisch informiert vorkommt, dem kann auch hier nicht mehr geholfen werden.
Es gibt nichts zu sehen, lesen sie weiter!
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