27 August 2010

Buzz-Kill, der angekündigte soziale Selbstmord des Leo Laporte, warum es nicht dazu kam und warum er immer noch falsch liegt



Leo Laporte hat kein Problem damit, sich selbst Web-Hure zu nennen und von anderen so genannt zu werden. Das ist nur ehrlich. Berufsbedingt muss er ,auch bei eigenem Widerwillen, jede neue Internetseite besprechen, jedes neue App und jeden neuen Online-Dienst testen. Er tut genau das, ganz ohne Widerwillen und mit umso mehr kindlich gebliebener Begeisterung und Liebe zum Objekt. Der ehrliche, uneitle, dabei immer informative Stil seiner Arbeit hat ihm und seinem Sender TWIT.TV auf dem Gebiet der Hochtechnologie-Nachrichten in den USA und weltweit über die Zeit eine Anerkennung verschafft, die man, auf deutsche Maßstäbe übertragen, irgendwo bei Jean Pütz und verorten müsste. Laporte ist zurecht ein Medien-Phänomen und auch dieser Autor ist sein bekennender Fan.




Dem tut es keinen Abbruch, dass er in seinen Urteilen über aktuelle Entwicklungen ebenso regelmäßig großartig falsch wie richtig liegt.

Vielmehr macht es einen Teil seines Charmes aus, dass er eine kürzere Aufmerksamkeitsspanne als ein Erdmännchen hat, dass er immer mal wieder Trends heute noch begeistert zum nächsten großen Ding erklärt, nur um sie schon morgen, dabei mit ebenso entschiedener Verachtung, wieder auf seinen ganz persönlichen Müllhaufen der Geschichte zu verbannen. Oder gerade umgekehrt. So ist Leo und wir lieben ihn dafür.

Allein, inzwischen hat jedes seiner Urteile entscheidende Wirkung im Memplex Technik. Sie wird stärker mit jedem weiteren Abonnenten der TWIT.TV-Podcasts, der auch seine zukünftigen Entscheidungen über neue Technik tendenziell an Laportes Empfehlungen orientiert. Wenn Leo sich rührt, stürmt es auch schon mal in der Evian-Flasche von Steve Jobs.

Letzter Alarm aus dem Hause Laporte: Sonntag, 22. August 2010, 01:06:
Laportes Google Buzz Updates wurden seit zwei Wochen nicht mehr an sein Twitter Konto durchgeschleift. Praktisch blieb der Großteil seiner vernetzen Leserschaft damit über die volle Zeit ohne Ankündigung, wenn eine neue Folge seiner Sendungen als Podcast verfügbar war, ganz zu schweigen, von seinen veröffentlichen Foto-Schnappschüssen und Echtzeit-Statusmeldungen.

Ein Ärgernis? Sicher; für jeden freien Autor ist es erfolgsentscheidend, seine Arbeit möglichst schnell, einem möglichst großen Publikum bekannt machen zu können. Wenn mit Twitter, einer der mächtigsten Multiplikatoren des Internets nicht beliefert werden kann, ist das ein wirtschaftlich bestimmbarer Verlust.

Ein Skandal? Kaum; auch dieser Autor ist dankbar für jede Minute, die er nicht mit dem mühsamen Erhalt des für allerlei Störungen anfälligen Flusses seiner Informationen von Google über Twitter bis Facebook verbringen muss, tatsächlich arbeiten kann. Man ist damit in zahlreicher wie weltweiter Gesellschaft. Wer diesen Preis für die eigene virtuelle Pressefreiheit nicht zahlen mag, muss es sein lassen.

Leo Laporte war, wie so oft, selbst der Skandal nicht groß genug. Er nutzte seine Gelegenheit zur moralischen Generalabrechnung mit Google Buzz pars pro toto für alle virtuellen sozialen Netzwerke. Allem voran die Selbstanklage mit seiner Teilnahme an Twitter und Facebook nichts mehr als jahrelange Lebenszeitverschwendung erreicht zu haben.

Seine Konsequenz: Das Abschwören aller virtuellen sozialen Netzwerke für alle Zukunft und die reuige Heimkehr des verlorenen Sohnes zu seinem sträflich vernachlässigten Blog Leoville als neue alte Quelle all seiner Veröffentlichungen auf immer da.

Sein Motiv: Nicht etwa der wirtschaftlich berechenbare Verlust an verwertbarer Öffentlichkeit. Nein, Herr Laporte war gekränkt und beschämt, dass er zwei Wochen nicht getwittert hatte und es war niemandem aufgefallen, nicht mal ihm selbst.

Siehe da, einen! Tag später hatten Google Entwickler den verantwortlichen Fehler bereits gefunden und behoben. Laporte wieder zufrieden und glücklich.

Ehrlich Leo, wäre es nicht ein wenig kleiner gegangen? Ist jetzt wirklich wieder alles gut?

Nein. Laporte hält auch noch an seinen Konsequenzen fest, nachdem die Wirklichkeit sie ihrer Grundlagen beraubt hat, Grundlagen die vor der Wirklichkeit nie Bestand hatten. Halb so wild, hätte er nicht seine Deutungshoheit in der Blogosphäre und würde sein Beispiel nicht so weit in die Irre führen.

Die Irrtümer im Einzelnen:
1. Ein Blog ersetzt kein virtuelles Netzwerk ersetzt kein Blog.
Blogs sind neben allen anderen virtuellen Ausdrucksformen ebenso einzigartig und nicht austauschbar wie soziale Netzwerke. Das Blog bietet Gedanken in Langform Raum, die sich weder auf 140 Zeichen, Links, Fotos, noch auf „Gefällt mir“-Knöpfe reduzieren lassen. Gerade das sind die Bausteine sozialer Netzwerke und deren Stärke, kurze, zweckgebundene Informationen schnell an klar bestimmte Empfängergruppen zu senden.

Zwei unterschiedliche, gleichwertige Informationsebenen. Inhaltlich klar bestimmt und von einander getrennt, erfüllt jede den ihr eigenen Zweck.

Twitter verdankt seine Existenz allein der praktischen Notwendigkeit, dass diese Ebenen inhaltlich getrennt bleiben.

Vermengt man sie, wie es Laporte vor denkt, gehen sie ineinander unter und heben sich gegenseitig in ihrer Wirkung auf, wie hier beschrieben.

Indem Laporte aufhört, Leoville inhaltlich klar zu bestimmen, macht er es für den Konsumenten unbrauchbar, wertlos. Denn dieser muss nun bei jedem einzelnen Beitrag für sich aufs neue entscheiden; was ist es? Ist es Blog, ist es Foto, ist es social networking, oder was? Was banal klingt, fügt in der Praxis der bereits empfundenen, ständigen Informationsüberladung, eine weitere Überladung mit möglichen Bedeutungen hinzu. Zu viel Überladung. Zu viel Stress. Nicht mehr der Mühe wert.

2. Soziale Netzwerke sind nicht... sozial.
Twitter, Facebook und ähnliche Dienste sind heute Suchmaschinen und Marketing-Plattformen. Sie sind nicht mehr in erster Linie Mittel von direkter, wechselseitiger, sozialer Kommunikation. Die Metapher der „Pinnwand“ bei Facebook ist keine zufällige Wahl und trifft in ihrer Funktion genauso auf die Timeline von Twitter zu. Was hier „angeschlagen“ wird, ist zuerst Aussage, Verlautbarung und nur zuletzt die Möglichkeit eines sich daraus entwickelnden Gesprächs mit dem Publikum. Dieses Publikum besteht nur zum Bruchteil aus Freunden und zum Großteil aus mittelbaren Kontakten, die nur ein mittelbares Interesse an den minütlichen Befindlichkeitsschwankungen irgend eines Senders haben.

Wer gekränkt ist, wenn er von solchen Medien keine zeitlich synchronen Reaktionen auf seine Beiträge bekommt, ist, mit Verlaub, naiv; zumal, wenn er seit zwei Wochen keinen Beitrag mehr veröffentlicht hat.

Beruhigen Sie sich, Herr Laporte! Blogen, twittern und facebooken Sie weiter! Nutzen sie alle Ausdrucksformen des Internets entsprechend ihren Bedürfnissen und deren Möglichkeiten! Versöhnen Sie sich mit dem Internet! Damit Sie es uns auch noch in Zukunft erklären können.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen