Ideen und die aus ihnen entwickelten Technologien sind in ihrem Wesen, ihrer Wechselwirkung, ihren Funktionen seit Jahrhunderten umfassend und abschließend erforscht und verstanden.
Wir wissen, warum und wie Ideen entstehen. Wir wissen, warum und wie aus Ideen Technologien hervor gehen. Diese Prozesse sind erklärt und beherrscht.
1. Beispiel: Das einsame Genie als Ideenfabrik
Denkt man darüber nach, wo und wie Ideen entstehen, kommen wahrscheinlich vielen spontan die selben Bilder vor das innere Auge:
bebrillte Männer mittleren bis hohen Alters, in ungepflegten Laborkitteln, die in verborgenen Laboratorien, abgeschlossen von der Außenwelt einsam auf Ihr Ziel hin arbeiten.
bebrillte Männer mittleren bis hohen Alters, in ungepflegten Laborkitteln, die in verborgenen Laboratorien, abgeschlossen von der Außenwelt einsam auf Ihr Ziel hin arbeiten.
Immer arbeiten sie an Gedanken, die vor ihnen nie jemand dachte. Immer hat ihre Arbeit etwas von einer spirituellen Passionsgeschichte.
Immer trifft sie am Ende unvorhersehbar der eine geniale Blitz der Erkenntnis, der immer auch etwas von göttlicher Erleuchtung zu haben scheint.
Immer trifft sie am Ende unvorhersehbar der eine geniale Blitz der Erkenntnis, der immer auch etwas von göttlicher Erleuchtung zu haben scheint.
2. Beispiel: Technologie, die Schöpfung des Menschen
Denkt man in der gleichen Weise über die Entwicklung von Technologien nach, drängen sich auch hier wahrscheinlich vielen die selben Bilder auf:
Von der Idee, über ihre Entwicklung, bis zu einem fassbaren Produkt, wirkt jede Technologie wie ein von Menschen geplantes, zielgerichtet entwickeltes und durch und durch beherrschtes Werkzeug. Nur wenige würden Technologie eine eigene Richtung unabhängig vom menschlichen Schöpfungswillen unterstellen.
Auch um diese beiden Wirklichkeiten und ihre Konsequenzen hat sich unser bisheriges Erklärungsmodell für Ideen und Technologien entwickelt und verfestigt.
Und gerade wenn wir es uns in der Gewissheit bequem machen wollen, wieder einmal das Ende aller Forschung erreicht zu haben, wird genau diese Gewissheit wieder einmal demontiert.
Steve Johnson zerstört in seinem Buch „Where Good Ideas Come From: The Natural History of Innovation“ den Mythos vom einsamen Genie als Norm der Ideen- und Technologiegeschichte.
Johnson weist nach, dass Ideen und Technologien statt dessen viel häufiger Produkte kollektiv kreativer Milieus waren, Ergebnisse der gegenseitigen Inspiration von Wissenschaftlern, die sowohl räumlich, als sogar zeitlich von einander getrennt, sich doch im Erreichen eines geteilten Ziels unterstützen.
Entlang dieser neuen Forschungsgeschichte widerlegt Johnson auch die Vorstellung vom Profit als stärkstem Antrieb für wissenschaftliche Arbeit.
Statt dessen entdeckt er diese Netzwerke von Ideen über Zeit und Raum als Brutstätten mit idealen Bedingungen für die Entwicklung neuer Technologien. In solchen Umgebungen konnten Ideen in memetischen Prozessen übertragen werden, reifen, mutieren.
Statt dessen entdeckt er diese Netzwerke von Ideen über Zeit und Raum als Brutstätten mit idealen Bedingungen für die Entwicklung neuer Technologien. In solchen Umgebungen konnten Ideen in memetischen Prozessen übertragen werden, reifen, mutieren.
Nur so konnten Gregor Mendels Erkenntnisse zur Vererbung und Charles Babbages Ideen für den ersten Computer, die für ihre Zeit zu früh kamen, ihre Träger überleben und auf die Gehirne übertragen werden, die für den Empfang Jahrzehnte, ja Jahrhunderte später bereit waren.
Er definiert Technologie an sich völlig neu. Er befreit sie von ihrer Abhängigkeit vom menschlichen Schöpfungswillen.
Er erklärt Technologie als eine vom Menschen unabhängig existierende, gerichtete Kraft, ähnlich dem egoistischen Gen nach Richard Dawkins.
Er erklärt Technologie als eine vom Menschen unabhängig existierende, gerichtete Kraft, ähnlich dem egoistischen Gen nach Richard Dawkins.
Im Laufe der Geschichte beschreibt er die Richtung dieser selbstständigen Kraft hin zu mehr Vielfalt, mehr Risiken, mehr Chancen, mehr Gutem in allen Bereichen des Lebens.
Beide Autoren demontieren Gewissheiten und verunsichern uns damit.
Johnson entzaubert das mythische Genie, den Einzelnen, der mit seiner Idee die Welt rettet.
Kelly nimmt uns die letzten Reste des Traums einer vom Menschen beherrschbaren Technologie. Technologie war nach Kelly vor dem Menschen, ist ohne ihn, wird nach ihm sein. Alles ist Technologie, überall.
Und der Mensch braucht die Technologie, nicht umgekehrt.
Beide Autoren geben aber gerade deshalb auch Hoffnung.
Johnsons Buch ist ein Aufruf zur Förderung interdisziplinärer, teamfähiger Forschung in großen vernetzten Zusammenhängen. Es ist ein Aufruf für die Förderung von Universitäten als den Brutstätten dieser kollektiven Wissenschaft.
Kevin Kelly ermuntert uns zu einem neuen Vertrauen in die Technologie. Gerade weil sie vom Menschen unabhängig sei, bleibe ihre Kraft langfristig auf ein besseres Morgen als das Heute gerichtet.
Die Wissenschaft ist noch nicht am Ende. Die Zukunft ist noch offen.
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